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Olympique de Marseille vs AC Ajaccio

  1. Datum 15.03.2013, 20.30 Uhr
  2. Ort Marseille
  3. Stadion Stade Vélodrome » Besuchte Spiele
  4. Liga 1. Liga F (Ligue 1)
  5. Ergebnis 0 : 0 (0 : 0)
  6. Zuschauer 30.986

Allez allez allez: c'est le son de l'année #12 (Teil 1)

Auch in Frankreich kehrte Mitte März der Winter zurück. Höchste Zeit, endlich mal in den Süden zu reisen. Zumal mir die Spieltagsplaner ein unwiderstehliches Angebot unterbreiteten: Freitag Marseille, Samstag Montpellier und Sonntag Toulouse. Letztere sogar im Derby gegen Bordeaux. Da konnte man einfach nicht nein sagen. Die Planung begann und nach langem Hin- und Hergerechne entschied ich mich einmal mehr für den Zug. Aller Vorbereitung zum Trotz ging der Tourauftakt jedoch in die Hose. Am Morgen brauchte ich eine Minute zu lang und verpasste den ersten Bus. Der nächste Bus, mit dem ich auch noch pünktlich gekommen wäre, fiel aus. Als ich schließlich mit dem übernächsten Bus am Bahnhof ankam, war der Regionalzug nach Lyon weg. Um den im Voraus gebuchten Bummelzug von Lyon nach Marseille noch zu erreichen, musste ich nun zunächst nach Dijon und von da aus mit dem teuren TGV nach Lyon. Merde! Der TGV hatte dann natürlich noch Verspätung, sodass es in Lyon verdammt eng wurde. Ich erwischte meinen Zug gerade noch so. Als ich dann nach weiteren anderthalb Stunden einen ordentlichen Sitzplatz ergattern konnte und die Landschaft so langsam mediterrane Züge annahm, war der Ärger aber wieder verflogen.

Stattdessen machte sich nun eine gewisse Anspannung breit, denn Marseille ist nun mal ein heißes Pflaster. Die Stadt gilt in Frankreich als Hochburg der Kriminalität und dürfte wohl mittlerweile auch in Europa den Spitzenplatz einnehmen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen ist die vor über 2500 Jahren von den Griechen gegründete Hafenstadt seit jeher durch Einwanderung geprägt. Während früher vor allem Südeuropäer nach Marseille kamen – zeitweise war die Bevölkerung zu 40% italienischstämmig, erfolgt die Immigration seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts in erster Linie aus Nordafrika und von den nördlich von Madagaskar gelegenen Komoren. Diese Entwicklung hängt mit der Unabhängigkeit der ehemaligen französischen Kolonien zusammen, die gleichzeitig auch Ursache dafür war, dass Marseille als Handelsstadt an Bedeutung verlor. Ein stetiges Bevölkerungswachstum bei negativer wirtschaftlicher Entwicklung, das kann natürlich auf Dauer nicht gutgehen. So gedieh in den hauptsächlich von Immigranten bewohnten Randbezirken der Drogenhandel und es begannen die Verteilungskämpfe, die neuerdings sogar mit Kalaschnikows ausgetragen werden.

Dazu kommt, dass Frankreich seit Beginn des Jahres in Mali einen Krieg gegen islamistische Rebellen führt, was sicher nicht in allen Teilen der muslimischen Bevölkerung – deren Anteil in Marseille etwa 25% beträgt – gut ankommt. Seit Kriegsbeginn gilt in Frankreich die Alarmstufe dunkelrot, also die dritte Terrorwarnstufe auf einer Skala bis vier. Das hat u.a. zur Folge, dass Polizei und Armee auf den Bahnhöfen patrouillieren und jederzeit Personen- und Gepäckkontrollen durchführen können. Schließlich jährte sich im Zeitraum meiner Tour zum ersten Mal die Anschlagsserie von Toulouse, bei der im vergangen Jahr ein Islamist mehrere französische Soldaten und jüdische Kinder erschoss. Erst vor vier Tagen nahm der Geheimdienst in der Nähe von Marseille eine Terrorzelle hoch, die wohl eine Wiederholung geplant hatte. Kurz vor Marseille lief bereits Polizei durch den Zug und am Bahnhof Saint-Charles wurde man von Soldaten mit Maschinengewehren empfangen. Da kommt Laune auf. Ich steuerte zielstrebig den alten Hafen an und hielt mich dabei an die größeren Straßen. Ich bin es ja mittlerweile gewohnt, ständig arabisch- und afrikanischstämmige Menschen um mich zu haben und hab damit auch überhaupt kein Problem. Marseille war aber noch mal eine ganz neue Erfahrung, denn hier hatte man zeitweise das Gefühl, weit und breit der einzige Europäer zu sein.

Dafür erwarteten mich in dem unweit des alten Hafens gelegenen Hostel vertraute Klänge, denn das Mädel an der Rezeption kam aus Deutschland. Unsere Unterhaltung auf Deutsch weckte wiederum das Interesse einer jungen Amerikanerin, die im selben Zimmer wohnte und deren Name mir schon wieder entfallen ist. Nennen wir sie einfach Tiffany. Tiffany kommt aus L.A. und verbrachte heute ihren ersten Tag in Frankreich. Natürlich hatte sie sich schon eine Flasche Wein besorgt und bot mir nun an, diese mit ihr zu teilen. Ich hatte jetzt erst mal wichtigeres zu tun, doch wir sollten Tiffany im Hinterkopf behalten. Zunächst lief ich wieder ein Stück zurück in Richtung Bahnhof, dann ging es mit der Metro weiter zum Stadion. Bald darauf fand ich mich vor der mächtigen halbkreisförmigen Gegengerade wieder, die derzeit umgebaut und überdacht wird. Im Zuge der Umbaumaßnahmen für die EM 2016 soll auch die Haupttribüne abgerissen und neugebaut werden. Und wie es der Zufall so wollte, stand heute der letzte Auftritt der alten Tribüne an. 30€ musste ich für einen Platz am äußersten Rand berappen. Das war die billigste im freien Verkauf erhältliche Karte, denn der Kartenverkauf für die beiden Hintertortribünen läuft hier ausschließlich über die jeweiligen Ultragruppierungen. Doch wie in den meisten französischen Stadien gab es auch hier am unteren Ende des Blocks einen unbewachten Durchgang, sodass man problemlos am Spielfeldrand auf und ab laufen konnte.

So stand ich alsbald in der Mitte der Haupttribüne und starrte gebannt auf die Zaunfahnen. Im Unterrang des Kop Sud hing die Fahne der ältesten Ultragruppe Frankreichs, dem „Commando Ultra ‘84“. Im Oberrang die der 1987 gegründeten „South Winners“, deren Gruppenfarbe Orange auf eine Begebenheit aus dem Jahr 1989 zurückgeht. Damals spielte OM bei PSG, die seit 1985 durch die „Boulogne Boys“ unterstützt wurden. Aus Protest gegen deren rechtsextreme Grundeinstellung drehten die „South Winners“ ihre Bomberjacken um und das Motto „Alle in Orange“ war geboren. Schon lustig, wer heutzutage so alles diese antifaschistische Geste nachmacht. Auf dem Kop Nord stehen mit den „Yankees“ (1987), den „Fanatics“ (1988), den „Dodger’s“ (1992) und „Marseille Trop Puissant“ (1994) ebenfalls Gruppen, die bereits auf eine längere Geschichte zurückblicken können. Und kurz nach Spielbeginn wurde es wirklich historisch, denn vor dem Kop Sud nahm die Fahne der „Ultras Tito“ von Sampdoria Genua – die sich 1969 als erste Gruppe überhaupt „Ultras“ nannten – ihren Ehrenplatz ein.

Zu Spielbeginn setzte man im Unterrang des Kop Süd vor allem auf große Schwenker, während bei den „South Winners“ zahlreiche Doppelhalter präsentiert wurden. In der Folge wurde durchgängig supportet und zumindest im Unterrang auch durchgängig Tifo-Material eingesetzt. Dabei kam immer mal wieder ein neuer Schwenker zum Vorschein, sodass es nie langweilig wurde. Der Support war einigermaßen koordiniert, da sich die „South Winners“ meist nach dem „Commando“ richteten. Bedingt durch die räumliche Trennung und die schlechte Akustik ging es jedoch schnell auseinander und man sang meist im Kanon. Beim „Commando“ zogen vielleicht so um die 150 Mann durchgängig mit, während man sich bei den „South Winners“ hauptsächlich mit Pogoeinlagen und den damit verbundenen Rangeleien beschäftigte. Insgesamt etwas enttäuschend. Auf dem Kop Nord war noch viel weniger los. Hier waren einzig die am linken Rand des Oberrangs platzierten „Fanatics“ dauerhaft aktiv. Leider versperrte mir der mitten im Stadion stehende Flutlichtmast die Sicht auf deren Block. Gegen Ende des Spiels kam noch es zu einer kuriosen Szene, als die Gruppe „Marseille Trop Puissant“ ihren Platz in der Mitte des Oberrangs verließ und geschlossen zu den „Fanatics“ überlief.

Das Spiel endete mit einem torlosen Unentschieden und die wenigen mitgereisten Korsen konnten sich über einen überraschenden Punktgewinn beim Tabellendritten freuen. Ich stärkte mich noch an einer der zahlreichen Imbissbuden, die – wie nach jedem höherklassigen Spiel in Frankreich – die Straßen säumten. Dann ging es per Metro wieder ins Stadtzentrum und von da aus schnurstracks ins Hostel. In meiner Abwesenheit war hier der Alkohol reichlich geflossen und Tiffany hatte schon viele neue Freundschaften geschlossen. Irgendwann gelang es dem Nachtwächter, die johlende Meute zum Ausgehen zu bewegen und ich legte mich aufs Ohr. Doch es dauerte nicht lange, da kehrte Tiffany mit männlicher Begleitung ins Zimmer zurück und steuerte das Bad an. Nun ließ sie mich und die übrigen vier Zimmerbewohnern noch eine ganze Zeit akustisch an den Freuden körperlicher Nähe teilhaben. Schließlich verabschiedete sich der Kollege und Tiffany fand den Weg ins Bett. Dort blieb sie jedoch nicht lange, denn der wilde Abend forderte nun seinen Tribut. Noch einmal ging es aufs Klo, noch einmal beschallte sie das Zimmer. Nun waren wirklich alle Stereotypen erfüllt und Tiffany gab endlich Ruhe.

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